BERLIN HAT DEN JAZZ, WEITERHIN!?
Die Berliner Unterhaltung hatte die Stadt seit der langen Jahrhundertwende um 1900 international zur Geltung gebracht.
Im Kaiserreich hatte sie eine besondere Stellung gewonnen. Die großen Theater, die als Bildungs- bzw. Erziehungs-Stätten gegolten hatten, waren im Zuge der Liberalisierung nach der Revolution 1848 im Jahr 1869 der Gewerbeordnung unterworfen worden. Ihr unterlagen schon Tanzdielen, Bars oder Cafès. Wie die Volksbühnen auch mussten diese Geschäftstheater nun ohne Subventionierung finanziell auf eigenen Beinen stehen. In diesem Zuge popularisierten sie ihr Programm. Mit Unterhaltung ließ sich mehr Geld verdienen als mit Kunst. (vgl. Becker, Tobias, Weltstadtvergnügen, Berlin 1880 – 1930, Göttingen 2016, S. 32 ff.)
Verbunden mit dem gleichzeitigen fundamentalen Fortschritt in der Mobilität hatte sich auch die Transnationalisierung von Strukturen, Programmen und Protagonist*innen auf dem kulturellen Sektor intensiviert. Und der Tourismus hatte sich vervielfacht. (Vgl. ebd. S. 61)
Die Berliner Unterhaltung in den Zwanziger Jahren
Die Unterhaltungs-Kultur griff zwangsläufig immer die Neuesten Moden auf. So setzte sie Trends. Nach dem Ersten Weltkrieg war Jazz aus Amerika der letzte Schrei. Exzentrisch, nervös und atemlos trafen die modernen Klänge genau das Lebensgefühl vieler Menschen in der Großstadt. Jazz wurde sofort zum festen Bestandteil der Berliner Unterhaltung. Sei es in Form der Berliner Melange oder in Form von einzelnen Musiker*innen amerikanischer Herkunft auf den Bühnen!
In den 1920er Jahren integrierte die Unterhaltung weiterhin die unterschiedlichsten kulturellen Einflüsse aus den verschiedensten Teilen der Welt und versah sie mit einer gehörigen Portion „Chuzpe“ . Die Berliner Melange, die Berlinerische Manier, Jazz zu spielen, war das beste Beispiel dafür. Wie der Name schon sagt, war sie eine wilde Mischung an Musikstilen. Ohne mit der Wimper zu zucken, war sie als Jazz verkauft worden. Es dauerte Jahre, bis sie wirklich danach klang. Von wenigen Ausnahmen abgesehen! Allerdings verbreitete diese unerhörte Kreativität nicht nur unter zukünftigen Nazi-Schergen Unsicherheit in der Frage, was echten Jazz wesentlich ausmachen sollte.
Die Berliner Unterhaltung in den Dreißiger Jahren
Ab 1931 nahm Jazz zunehmend die Form von Swing an. Die internationalen Schallplatten-Verträge behielten auch nach 1933 zunächst ihre Gültigkeit. Zwar war das weder Marsch noch Gleichschritt, doch schlug Swing wirklich viele Menschen unterschiedlichster Herkunft in seinen Bann. Auch viele „Arier“ in den Städten! Die Musik zeichnete sich im Gegensatz zu den anderen Jazz-Stilen durch einen regelmäßigen Rhythmus aus, wenn auch die Betonung auf der 2 lag. So spielten sie sie auf ihren Instrumenten, sangen sie, hörten sie, oder sie tanzten dazu!
Die meisten Kultur-Träger*innen und Protagonist*innen waren in Berlin bis Anfang der 1930er Jahre jüdischer Herkunft, Sinti oder Roma gewesen. Dieses Personal sollte von 1933 an „ausgetauscht“ werden. Ihr Repertoire wurde verboten! Bis auf vereinzelte Ausnahmen setzten die Nazis das auch durch. Doch sollten die eigenen Leute doch bei Laune gehalten werden! Und in Berlin kannte der Gauleiter der NSDAP Joseph Goebbels das verwöhnte Publikum. Zur Ablenkung kam Swing ihm gerade Recht! Das änderte nichts an seiner aggressiven Polemik.Der Swing-Rhythmus fand unweigerlich Eingang in den Schlager, und hier auch fast sein Ende.
Im Grunde organisierte eben jener Joseph Goebbels, „der Fürchterliche“ mit dem Innen-Minister Hermann Göring, „dem Schrecklichen“, wie Klaus Mann die beiden in seinem Roman Mephisto nennt, und den Nazi-Schergen das Versenken der ehemals blühenden Kultur-Landschaft im Bodenlosen.
Musikstadt Berlin 1929, ‚Und Nelson spielt‘
Sieha auch: ALL DARK – Der Neue Westen , ALL DARK – Die Friedrichstadt