Erich Mühsam – Die Herren der Schöpfung!

Und er schrie: „Ich revolüzze!“
Und die Revoluzzermütze
Schob er auf das linke Ohr,
Kam sich höchst gefährlich vor

(https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Revoluzzer)

Seinen „Der Revoluzzer, Gewidmet der Deutschen Sozialdemokratie“ verfasste Erich Mühsam 1907. Diese Zeilen und der Titel sagen schon viel aus über den Schriftsteller. Ein Freigeist, radikal und humorvoll zugleich!

Erich Mühsam

Der Schriftsteller

Weil er sich gegen bürgerliche Normen und staatliche Zwänge aussprach, galt er als Vertreter eines „literarischen Anarchismus“. Seine Haltung basierte auf der kompromisslosen Solidarität mit den sozial Benachteiligten. Er selbst nannte sie „Gefühlsanarchismus“. (vgl. https://www.dhm.de/lemo/biografie/erich-muehsam.html)

Der Mensch Erich Mühsam

Sein Engagement gestaltete sich allerdings äußerst vielfältig. Die Herausgeber*innen von „Was seid ihr Hunde wert!“ schicken ihrem Lesebuch über Erich Mühsam folgendes voraus.

Sein Leben und Werk sind nicht voneinander zu trennen. Ob schüttelreimender Kabarettist, staatsfeindlicher Feingeist oder melancholischer Poet … Ob als anarchistischer Agitator oder lebenslustiger Erotomane… Der handelnde Revolutionär oder Dramatiker wurde als ´alter bekannter` politischer Häftling eines der ersten Opfer des nationalsozialistischen Terrors. Und sie brachten ihn nicht seiner jüdischen Herkunft wegen, sondern der Überzeugung und des Auftretens wegen um. (vgl. Markus Liske, Manja Präkels (HG), Erich Mühsam, Was seid ihr Hunde wert!, Ein Lesebuch, Berlin 2014, S. 9).

Joseph Mondieu charakterisiert die auf den ersten Blick anti-politisch wirkende Tendenz des Anarchismus und das anarchistische Prinzip der sozialen Selbsthilfe als wesentliche Eigenschaften von Boheme-Naturen. Und genau damit haben wir es hier zu tun!

In Berlin

1878 in Berlin geboren, kehrte Erich Mühsam nach einer Kindheit und Jugend in Lübeck mit Anfang 20 zurück. Als ständiger Gast in Berliner Künstlerkneipen wie dem Café Größenwahn mit Else Lasker-Schüler oder Salomo Friedländer u a trug er seinen Teil bei dazu, dass die Boheme florierte.

1900 gründeten einige davon, darunter neben ihm auch der Anarchist Gustav Landauer, die „Neue Gemeinschaft“. Die künstlerische Lebensgemeinschaft teilte die Grundüberzeugung, dass eine revolutionäre Umwälzung des Bestehenden nach anarchistischen Idealen notwendig wäre, zu erreichen mit den Mitteln der Kunst und des Humors.

Während Erich durchgehend politisch aktiv blieb und Gedichte und andere Beiträge für die anarchistische Zeitschrift „Der arme Teufel“ lieferte, arbeitete an der Volksbühne, die fortschrittliches Theater allen ermöglichen wollte. (vgl. Joseph Mondieu, Sich fügen heißt lügen, Erich Mühsam in Berlin, in: Gruppe Panther &Co (HG.), Rebellisches Berlin, Expeditionen in die untergründige Stadt, Berlin/Hamburg 2021, S.726 ff.)

In München

Nach Jahren der internationalen Wanderschaft hielt er sich ab 1909 in München auf. Dort wurde ihm, wie auch Klabund, die Schwabinger Boheme um Joachim Ringelnatz, Heinrich Mann, Fanny zu Reventlow und Frank Wedekind zur neuen Familie.

Nach einer kurzen Phase der Verwirrung zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 schlug er sich eindeutig für die Seite der Kriegs-Gegner und-Verweigerer. Gemeinsam mit Ernst Toller und Gustav Landauer beteiligte er sich an Münchner Räterepublik. Ihr Der Versuch scheiterte und Landauer wurde von Freikorps ermordet. Mühsam hingegen kam in Festungshaft und 1924 durch eine Amnestie frei. Er kehrte nach Berlin zurück. (Vgl. Ebd. S. 729)

Der Aktivist und seine Kunst

Für den Revolutionär blieb in den nächsten Jahren die „Dichtkunst seine wichtigste Waffe im Kampf“ . Und er setzte sie vor allem zur Unterstützung der politischen Gefangenen ein. Nach den eigenen Erfahrungen ein persönliches Anliegen!

Auf Kundgebungen der Anarchist*innen trat er auch als Redner in Erscheinung. Oder er engagierte sich für die Rote Hilfe trotz seiner ambivalenten Haltung der KPD gegenüber. Er war nie ein Freund radikaler Abgrenzung innerhalb des linken Spektrums gewesen. In der Roten Hilfe sah er die Chance auf Zusammenarbeit über ideologische Grenzen hinweg. Diese Einstellung brachte ihn immer wieder in Konflikt mit seinen anarchistischen Mitstreiter*innen. Während Letztere in der Kooperation mit den Kommunist*innen nichts als „Verrat“ sahen, war Mühsam der Auffassung, dass „an den Kerkertoren der Bruderzwist zu schweigen habe“.

Auf diese Weise musste er in Bewegung bleiben. Seinen Idealen blieb er allerdings immer treu! 1926 trat er der „Liga gegen koloniale Unterdrückung“ bei. Drei Jahre später schrieb er das engagierte Theaterstück „Staatsräson“ für Erwin Piscators Theater am Nollendorfplatz. Im April 1929 kam es mit Ernst Busch in der Hauptrolle zur Uraufführung.

Zu dieser Zeit verließ Mühsam die Rote Hilfe, weil deren Nähe zur KPD auch ihm nun zu eng geworden war. Seit 1927 wohnte er mit seiner Frau in der von Bruno Taut geplanten Hufeisensiedlung in Britz. Sogleich hatte er sich dem „Britzer Komitee für die Abwehr des Faschismus“ angeschlossen.

Häufig zu Gast war er in der Künstler-Kolonie „Roter Block“, gegründet Ende der Zwanziger von der Bühnengenossenschaft und dem Schutzverband deutscher Schriftsteller. In der antifaschistischen Trutzburg lebten Ernst Busch, Kurt Tucholsky und Ernst Bloch. Auch Mühsam hatte die Gefahren durch den Faschismus früh erkannt. 1930 verschrieb er sich konsequenterweise der permanenten antifaschistischen Agitation. Sie brachte ihm unablässige Todesdrohungen von Seiten der Nazis ein. (Vgl. Ebd. S. 730 ff.)

Das Ende

Kurz vor seiner Flucht konnten ihn die Nazis in der Nacht des Reichstagsbrands am 27. Februar 1933 noch verhafte., Sie folterten ihn monatelang in Konzentrationslagern und brachten ihn in der Nacht des Röhm-Putsches Ende Juni/Anfang Juli 1934 um.

Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Revoluzzer

https://www.dhm.de/lemo/biografie/erich-muehsam.html

Literatur:

Markus Liske, Manja Präkels (HG), Erich Mühsam, Was seid ihr Hunde wert!, Ein Lesebuch, Berlin 2014

Joseph Mondieu, Sich fügen heißt lügen, Erich Mühsam in Berlin, in: Gruppe Panther &Co (HG.), Rebellisches Berlin, Expeditionen in die untergründige Stadt, Berlin/Hamburg 2021