Die Herren der Schöpfung
Mit einem Chanson von Marcellus Schiffer debütierte Margot Lion im November 1923 auf den Brettern des Kabaretts Wilde Bühne. Ihr sehr schlanker Körper war umwickelt mit einem Haut-engen schwarzen Schal. Die Hände steckten in schwarzen Handschuhen. Und Augen und Lippen hatte sie schwarz bemalt. Begleitet wurde sie von Mischa Spolianskys Klavier-Spiel. Laut der Direktorin Trude Hesterberg, „warf sie ihre Arme empor und plärrte los“.
„Wer ist dieses Ausrufungszeichen der Not, welch` Abgesannter vom Tode?
Man weiß nicht, ist es der Hungertod oder die neueste Linie der Mode?
Margot Lion hatte ihre Rolle der „grotesken modernen Frau“ gefunden. Ebenso wie ihren „Partner in Crime“ und „in Love“! Schlagartig gehörte die Diseuse zum Stamm-Ensemble der Wilden Bühne. Und somit zählte sie bald auch zu den gefragtesten Darstellerinnen Berlins. 1924 heiratete Marcellus Schiffer sie.
Der Kabarett-Autor Marcellus Schiffer
Marcellus Schiffer prägte mit seinen scharfen und eleganten Persiflagen wiederum einen eigenen Stil. Katzenhaft umtanzte er die Ziele seines Spotts mit Charme und Witz. Die bröckelnde Oberschicht und das konventionelle Spieß-Bürgertum!
Noch 1921 wurde er neben Walter Mehring und Kurt Tucholsky Haus-Autor der Wilden Bühne. Die Zusammen-Arbeit stellte sich für alle Beteiligten als nicht ganz einfach heraus. Erst gemeinsam mit Margot Lion und dem Komponisten Mischa Spoliansky konnte er sich mit seinen Chansons etablieren. (vgl. Trageser, Es liegt in der Luft, S. 39)
Der Chanson-Texter
Die große Zeit des politisch-literarischen Kabaretts war vorbei. Von nun an machten sie Cabaret. Mit den Kabarett-Revuen schlug Marcellus Schiffers Stunde. „Die fleißige Leserin“ von 1926 oder „Es liegt in der Luft“ von 1928 des Erfolgs-Duos Schiffer/Spoliansky brachten Kritiker*innen wie Publikum zum Jubeln. (vgl. Trageser, Es liegt in der Luft, S. 47)
Schiffer brachte in seinen Stücken immer wieder exzentrische Frauen-Figuren auf die Bühne. Jede bekam ein eigenes Chanson. Ihn interessierten die selbstbewussten, auch androgynen, modernen Frauen. Ebenso die sich wandelnden Geschlechter-Rollen.
Einen ihrer letzten gemeinsamen Coups landeten Schiffer und Spoliansky mit der Zeit-losen Burleske Alles Schwindel 1931. Mit Songs wie Mir ist so nach dir oder Alles Schwindel kreierten sie Dauer-Brenner. Untrennbar werden sie mit den Zwanziger Jahren assoziiert.
1932 nahm sich Marcellus Schiffer, der immer schon auch depressive Züge hatte, das Leben.
Literatur
Trageser, Martin, Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit, Die Zwanziger Jahre im Spiegel des Werks von Marcellus Schiffer (1892 – 1932), Würzburg 2007
Links
https://digital.adk.de/marcellus-schiffer-und-margo-lion-archiv/