Die Herren der Schöpfung
Kurt Tucholsky wurde 1890 in Berlin Moabit geboren Der Journalist und Schriftsteller gehörte ganz zentral zu dem Kreis der „Kämpfer*innen auf verlorenem Posten“, die dem Kabarett in dem Berlin der Weimarer Republik, von 1918 bis 1933, eine laute Stimme verliehen.
Der Herr fand zu den unterschiedlichsten Anlässen derart treffende Begriffe, dass er zu einem der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik wurde. Die Themen fand er auf der Straße. Angesichts der Fülle des Materials betätigte er sich als Satiriker, Kabarett-Autor, Lied-Texter, sowie als Romancier und Lyriker oder Berichterstatter und Kritiker von Büchern, Filmen und Musik. Seine zweifelnde, sensible Seele wusste er hinter Witz, Charme und Eloquenz zu verstecken (vgl. Görner, Lutz, Kurt Tucholsky, Ein kurzes Leben (1890 – 1935)). Oder er bestach einfach mit „messerscharfen Analysen.“ (Scheer, Regina, Kurt Tucholsky : „Es war ein bisschen laut“, S. 40)
Der Schriftsteller
Als Lyriker sah er sich selbst nur als „Talent“, das „Gebrauchs-Lyrik“ verfasste – „im Gegensatz zu seinem großen Vorbild Heinrich Heine“. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte er damit begonnen, seine journalistischen Beiträge für die linksliberale Theaterzeitschrift Schaubühne in Versform zu abzufassen.
1922 veröffentlichte er den Roman Rheinsberg, Ein Bilderbuch für Liebende, 1931 den Kurzroman Schloß Gripsholm und 1929, gemeinsam mit John Heartfield, das gesellschaftskritische Werk Deutschland, Deutschland über alles. (vgl. wikipedia.org)
Die Politik
Eine politisch engagierte Haltung brachte er in seiner gesamten publizistischen Arbeit unmissverständlich zum Ausdruck.
Er sah sich als links-liberalen, linken Demokraten oder Sozialisten und vor allem als Pazifisten und Antimilitaristen. Einige wenige Beiträge steuerte er zu den jeweiligen Partei-Organen der USDP und später der KPD bei. Und 1926 wurde er in den Vorstand der „Revolutionären Pazifisten“, gegründet von Kurt Hiller, gewählt.
Erich Kästner fasste 1946 rückblickend kollegial neckend zusammen, Kurt Tucholsky wäre ein „kleiner, dicker Berliner [gewesen], der mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Tucholsky).
Der Erste Weltkrieg
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte er sich zwar nicht von der patriotischen Begeisterung der Bürger*innen einfangen lassen und trotzdem 4 Jahre lang als Kompanie-Schreiber und Feldpost-Verfasser an der Ostfront gedient. Was er dort erlebt hatte, hatte ihn mit Grauen und Scham erfüllt (vgl. Gröner, Lutz, Kurt Tucholsky : Ein kurzes Leben).
Der Journalist
Zurück in Berlin stürzte Tucholsky sich sofort in wieder in die publizistische Tätigkeit für die politisch-kulturelle Wochenzeitschrift Schaubühne, seit 1918 Weltbühne, unter dem PublizistenSiegfried Jacobsohn. Schon die 1905 gegründete Schaubühne war zum Maßstab für Qualität unter linksliberalen Blättern geworden (vgl. „Es war ein bisschen laut“, S 24). Nach dem Journalisten stand das Blatt für Diskussionen statt Dogmatismen. Hier traf er auch auf Karl von Ossietzky (ebd, S. 50)
Zudem besetzte er von Dezember 1918 bis April 1920 den Posten des Chefredakteurs des Ulk, der Beilage des Berliner Tagblatts (ebd., S. 33 f). Auch der satirische Simplicissimus aus München zeigte schon bald ein reges Interesse an seinen Beiträgen (ebd., S 24)
Als Spielerei seiner literarischen Methode legte sich der Autor vier Pseudonyme zu, „den lyrischen Theobald Tiger, den muffigen Ignaz Wrobel, den eleganten Peter Panther und den philosophischen Kaspar Hauser“ (Ein kurzes Leben).
Als Siegfried Jakobsohn, Tucholskys Freund und Mentor, 1926 starb, erklärte der sich sofort bereit, die Leitung der Weltbühne zu übernehmen. Sein letzter eigener Artikel erschien am 8. November 1932. 1929 erschien Carl von Ossietzkys Artikel „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“, der von der illegitimen Aufrüstung der Flugwaffe der Reichswehr handelte. Obwohl der Artikel nichts Neues ans Licht brachte, wurde Carl von Ossietzky einem zwei-jährigen Weltbühne-Prozess und danach einer 18-monatigen Haft-Strafe wegen Hochverrats unterworfen. Auch der von Tucholsky stammende berühmte Satz „Soldaten sind Mörder“ spielte eine Rolle (vgl. wikipedia.org).
Auch viele seiner späteren Chansons waren zunächst als Beiträge in diesem „Blättchen“ („Es war ein bisschen laut“, S 24) erschienen.
Kurt Tucholsky und das Kabarett
Nach dem Krieg gelang es ihm scheinbar spielend, seine umfassende Abscheu dem alten „Preußen-Geist“ gegenüber genauso wie auch die Skepsis, die die Gründungs-Kämpfe der neuen Weimarer Republik in ihm hervorriefen, umzusetzen in Chansons und Kabarett-Texte. Er traf damit genau die Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung. Seine Popularität wuchs ins Unermessliche und hatte Bestand, sogar als die Nazis immer aggressiver gegen ihn zu hetzen begannen. Seine Texte, Chansons und Couplets gehörten zu jenen, die das Genre Kabarett bzw. Cabaret in Deutschland bekannt machen würden. Er schrieb für Kabaretts wie das Schall und Rauch, die Wilde Bühne oder das Café Größenwahn und für Sänger*innen wie Trude Hesterberg oder Claire Waldoff. Im Oktober 1919 veröffentlichte er eine Gedicht-Sammlung „Fromme Gesänge“. (vgl. ebd., S. 34)
Aus der Distanz
Schon 1924 zog Kurt Tucholsky als Korrespondent der Weltbühne und der Vossischen Zeitung nach Paris und kehrte danach nur noch selten nach Deutschland zurück. Über die Weltbühne beteiligte er sich allerdings weiterhin an den politischen Debatten in und um Berlin. Ab 1927 machte die Rechte hier Stimmung gegen den „Undeutschen“ wegen seiner Nähe zu den Franzosen. 1929 verlegte Tucholsky seinen Wohnsitz dauerhaft nach Schweden und starb 1935 in Göteborg.
Görner, Lutz, Kurt Tucholsky, Ein kurzes Leben (1890 – 1935)
Scheer, Regina, Kurt Tucholsky : „Es war ein bisschen laut“, S. 40)