BERLIN HAT DEN JAZZ!
Eric Charell war 1894 in Breslau, damals Teil des Deutschen Reichs, heute Polens, geboren worden. Er war ein ausgebildeter Tänzer und betätigte sich auch als Schauspieler und Regisseur. Von 1924 bis 27 oblag ihm die Intendanz des Großen Schauspielhauses in Berlin.
Eric Charell als Tänzer
Schon 1913 hatte Max Reinhardt den Tänzer entdeckt und am Deutschen Theater engagiert. Bald darauf hatte jener sein Charell-Ballet gegründet, als dessen musikalischer Leiter Friedrich Hollaender fungierte. Damit tourte er während und nach des Ersten Weltkriegs erfolgreich durch Europa.
.. beim Film
Daneben bewies er sein schauspielerisches Talent in Stummfilmen, wie in Richard Oswalds Nachtgestalten von 1920. 1931 führte er Regie bei einem der ersten und erfolgreichsten Musikfilme der frühen Tonfilm-Ära Der Kongress tanzt.
Doch 1924 bot Max Reinhardt Eric Charell und seinem älteren Bruder Ludwig auch die künstlerische Leitung des Großen Schauspielhauses an, das zu den Reinhardt-Bühnen gehörte.
… als Intendant
Eric Charell verstand es, ein modernes Programm mit großem Erfolg auf die Bühne zu bringen: Revue Shows mit international gefragten Stars, Operetten mit zeitgemäßer Jazzmusik!
Seine turbulenten Revue Shows voller Klamauk, nackter Haut und frivoler Anzüglichkeiten lagen genau im Trend. Einen seiner größten Triumphe konnte er 1924 verbuchen: es gelang ihm, die international gefeierten Tiller-Girls aus London an das Große Schauspielhaus zu locken. Wie seine anderen internationalen Produktionen ließ er sie von ihrer Musik begleiten. Und die stammte oftmals von angesehenen Jazz-Größen wie Irving Berlin u. a..
Ab 1926 präsentierte Eric Charell Operetten-Klassiker in modernisierter Form als Jazz-Spektakel. Unter seiner Regie traten viele später sehr berühmte SchauspielerInnen und Sänger*innen erstmals auf, wie Marlene Dietrich oder die Comedian Harmonists. Er machte sie „über Nacht weltberühmt“.
Oder er entwarf eigene Operetten, wie den Höhepunkt seines kreativen Schaffens von 1930, Im weißen Rößl.
Allerdings waren seine Shows derart opulent ausgestattet, dass sie mit ihren häufigen Massenszenen Gefahr liefen, das Publikum zu befremden.
.. im Exil
Ganz im Sinne der Nationalsozialisten brach die Ufa im Zuge des antisemitischen Boykotts auf der kulturellen Ebene im März 1933 mit Eric Charell. Seiner jüdischen Herkunft und seiner Homosexualität wegen würde er 1935 in Deutschland zur „unerwünschten Person“ erklärt werden. Menschenverachtende Prozesse liefen gegen ihn, deren Urteile erst 1936 ergingen. In der Zwischenzeit war er glücklicherweise nach Amerika emigriert, wo er sich zuvor schon in Hollywood versucht hatte, leider ohne Erfolg. Aber er blieb seinen Künsten such dort treu.
… als Regisseur
Nach dem Krieg zog es Eric Charell nach München, wo er sowohl am Theater als auch beim Film an seine alten Erfolge anschließen konnte. Der Song O mein Papa wurde international ein Hit. 1969 erhielt er das Filmband in Gold für „langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film“. Er starb 1974 im Alter von 80 Jahren in München.
Ilja Livschakoff – Im weissen Rössl ! (1931)
Siehe auch: KIND OF GOLDEN – Das Scheunenviertel