BERLIN HAT DEN SWING, IMMER NOCH!?

Fritz Schulze

Fritz Schulze, später Fritz Schulz-Reichel, war 1912 in der Gegend um Magdeburg geboren worden. Bis 1946 war der Pianist und Komponist ein reiner Jazzer, der sich hörbar an Earl Hines und Teddy Wilson orientierte. Beide Jazz-Pianisten waren afro-amerikanischer Herkunft! (Vgl. Knauer, Wolfram,Play yourself, man!, Stuttgart 2019, S. 192).

Zur Person

In seinem Buch „Gewagtes Spiel, Jazz im Nationalsozialismus“ bezeichnet Michael Kater ihn als „Magdeburger Klavier-Genie“ (Kater, Michael, Gewagtes Spiel, Jazz im Nationalsozialismus, München 1998, S. 85) oder als führenden deutschen Pianisten der Nazi-Zeit mit fast genialer Begabung (vgl. Kater, Michael. S. 124).

Im Nationalsozialismus

Fritz Schulze stieß in Berlin 1934 zum Tanz-Orchester des rumänischen Kapell-Meisters James Kok, das nach dessen Flucht ab 1935 von Erhard Bauschke geleitet wurde. Auf der Aufnahme der Band von „White Jazz“ von 1935 sticht Fritz Schulze am Piano besonders heraus. (vgl. Knauer, S. 96)

Die Bars

Sonst spielte Fritz Schulze überwiegend in kleinen Combos in sehr exklusiven Bars im Neuen Westen. Auf ihre Weise „schrieben sie Jazz-Geschichte“ (Bratfisch, Rainer, Jazz in Berlin, Berlin 2014,S. 185). Quartier Latin, Ciro-Bar oder die Sherbini-Bar zeichneten sich aus durch die kosmopolitische Atmosphäre des ehemaligen Kurfürstendamms. Zwar versuchte der oberste Nazi von Berlin, Joseph Goebbels, diese Bars für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Doch standen sie primär im Ruf der „dekadenten Entartung“. Schon vor 1933 waren sie heftigen Angriffen von Rechts ausgesetzt gewesen.

Quartier Latin

Da wir im letzten Artikel zu dem Trompeter Kurt Hohenberger schon im Quartier Latin waren, soll es hier nun auch weiter gehen. Henry Dalou, nordafrikanischer Herkunft, eröffnete die piek-feine Bar 1931 in der Kurfürstenstraße. Er verpasste ihr ein internationales Flair, das sich speziell an Botschafter*innen und deren Kreise wandte. Anfangs versuchte er sich mit einem „exotischen“ Programm, setzte dann aber bald auf Jazz. (vgl. Bratfisch, S.187 f.)

wenn kein Tisch frei war, brachten Chauffeure angeblich die Auto-Sitze ins Foyer und gruppierten sie zu einer Runde (vgl. Wolffram, S.187).

Zur Haus-Band wurde Kurt Hohenberger und sein Solisten Orchester. Ab 1937 saß Fritz Schulze am Klavier. Die Aufnahme des „Limehouse Blues“ von 1938 vermittelt einen Eindruck davon, wie viel Swing die Musiker*innen hatten. (vgl. Knauer, S.107)

und die Nazis

Schon 1933 war der Pianist der SS beigetreten, in der Hoffnung auf Auftritte! Weil er die Teilnahme an deren Aktivitäten vermied, wo er konnte, gab es immer weder Schwierigkeiten mit den anderen SS-Mitgliedern. Mit Hilfe eines SS-Offiziers, der Stamm-Gast im Quartier Latin war, schaffte er es, 1938 ehrenvoll entlassen zu werden.

Ciro Bar

n der Rankestr. 31/32 eröffnete Achmed Mustafa, ägyptischer Herkunft, im Januar 1932 die Ciro-Bar. Sie war ein weiterer Treffpunkt des mondänen Berlins.

Die Haus-Kapelle hier stand unter der Leitung des Swing-Akkordeonisten Albert Vossen. Sie sorgte für beste Stimmung. Wenn die auf ihrem Höhepunkt war, legte Mustafa einen seiner Bühnen-Tänze aufs Parkett. Von 1935 bis 37 war der Pianist Fritz Schulze mit von der Partie.

Der Pianist berichtete, dass es für alle Musiker*innen im Laufe der Zeit immer schwieriger wurde, an aktuelle amerikanische Noten zu kommen. Die Botschafter*innen kamen natürlich an die letzten Neuheiten. Da sie sich hier die Tür in die Hand gaben, nutzten sie, die diesen Ort, um sie vorzusingen oder zu pfeifen. Auf diese Weise konnten Berliner*innen die Musik notieren und arrangieren. Unter größtem Beifall gaben sie das Ganze dann wieder in der Ciro-Bar zum Besten .(vgl. Bratfisch, S, 92 f.)

Sherbini-Bar

In der Uhlandstraße 18/19 befand sich von 1934 an die Sherbini-Bar des Schlagzeugers Mustafa El Sherbini, ebenfalls ägyptischer Herkunft. Auch gegen diesen Ort häuften sich von Anfang an die Attacken der Nazi-Blätter. Alles wäre hier so „dekadent“ geblieben, wie zuvor. „Neger steppten den Hot-Tanz in diesem Jazz-Dorado“ (Wolffram, Knud, Tanzdielen und Vergnügungspaläste,.., Berlin 1992, S. 186), zu Höchst-Preisen und begleitet von Unterhaltungen in Sprachen aus aller Welt.

Fritz Schulze war auch hier zu erleben. Von 1935 bis 37 war er Teil der Haus-Band unter Leitung des Posaunisten Herb Flemming, afro-amerikanischer Herkunft. Dessen Anwesenheit und Musik auf höchstem Niveau standen im Zeichen der Weltoffenheit auch dieses gehobenen Ortes, (vgl. Ebd.).

Obwohl jedes Engagement von Menschen mit afrikanischen Wurzeln in Deutschland bereits seit 1932 offiziell verboten war, sollte Herb Flemming den „Renommier-Neger“ im angeblich so mondänen Berlin spielen. Das war besonders für das Jahr der Olympiade 1936 der Deal!

Kurt Hohenberger – Limehouse Blues – Berlin 27.04.1938

Siehe auch: ALL DARK – Der Neue Westen