Berlin hat den Jazz
Eric Borchard war wohl „der erste wirkliche Jazzmusiker in Deutschland“. (Knauer, Wolfram, Play yourself, man! Die Geschichte des Jazz in Deutschland, Stuttgart 2019, S.36).
Sein Jazz klang schon 1919 authentisch. So galt er als erster „Jazzpionier“. Im Sinne von „Jazzclown“!
Geboren wurde er 1886 in Berlin. Schon vor 1920 war er als Klarinettist in New York tätig gewesen. Von dort kehrte er mit echt amerikanischer Musik in seinen Ohren und Gliedern zurück. Er war einer der Ersten.
Zurück in Berlin arbeitete Borchard aus dieser Erfahrung heraus auch mit Schallplatten statt mit Notenblättern. Er ließ die Musiker*innen seiner Bands die Songs so lange nachspielen, bis sie sie inkorporiert und eine entsprechende Haltung entwickelt hatten (vgl. ebd.).
Viele zog es in das Ursprungs-Land des Jazz, weil sie die Musik live erleben wollten. Das galt als Voraussetzung, um mit ihr vertraut zu werden. Und viele wollten in Berlin mit Jazz etwas werden.
In den ersten Jahre musste sich Borchards Musik zwangsläufig den Regeln der hier dominanten Berliner Melange unterwerfen. Zwar hatte die mit dem Original wenig gemein. Gehandelt wurde sie aber als echter Berliner Jazz ziemlich erfolgreich. Die Spiel- und Hörgewohnheiten vor Ort gestalteten sich einfach anders. Diese wilde Mischung aus Unterhaltungsmusik-Stilen aller Art musste ja nur als Jazz verkauft werden! Und sein tatsächlicher Anteil an der Musik wurde im Laufe der Jahre auch immer größer.
Es wird jazz-mäßiger
Ab 1922 erreichten wieder aktuelle Schallplatten aus Amerika den deutschen Markt. Borchards Jazz wandelte es sich sofort in Dixieland. Das war die euroamerikanische Variante des damals aktuellen Jazz.
1924 entwickelte er sich weiter. Als einer der Frühesten erkannte er das Potential der neuesten Spiel-Art der Musik. Der New York Stil war erstmals durchkomponiert. George Gershwins Rhapsodie in Blue von 1934 war das Symbol der neuen Spiel-Art von Jazz. Damit begann Borchard, seine größten Erfolge zu feiern. Er wurde zur Legende.
Daneben machte Eric Borchards kleine Combo 1925 auch die ersten deutschen hot-jazz-Aufnahmen. Das war widerum Chicago Jazz.
Er wurde 1927 zur „beliebtesten Gestalt der Berliner Nacht-Welt“ erkoren. 1928 rief er lauter erstrangige internationale Musiker*innen zusammen. Mit Billy Bartholomew (sax), Mike Danzi (g, ban) oder Franz Grothe (p) u. a. gründete er eine Spitzen-Jazz-Band in Berlin.
Auf der Höhe des Erfolges nahm sein Leben eine dramatische Wendung!
Auf einem Trip „tötete“ er seine Freundin, wohl aus Versehen. Sie hatte eine Überdosis genommen. Und er versuchte vergeblich und offenbar missverständlich, sie zu retten. 1931 wurde er zwar verurteilt. Er verlor alle seine Leute. Doch bis 1934 konnte er weiterhin auftreten, im In- wie im Aus-Land. 1934 beförderte er sich mit einer Überdosis selbst ins Jenseits.
In der Zwischenzeit hatten die Nazis die Macht übernommen. Sofort begannen sie, alles, wofür die Republik gestanden hatte, zu vernichten. Eric Borchard war definitiv ein Symbol der Berliner Unterhaltung der GOLDENEN ZWANZIGER gewesen. Im Guten wie im Schlechten! Jüdischer Herkunft, kam den Nazis zuvor!
Eric Borchard, Sister ain`t that hot?
See also: KIND OF GOLDEN – Das Scheunenviertel